Wo die Globalisierung wohnt
Der Weg hinaus aus Chengdu führt durch die Suburbs – und wie es sich für eine Millionenstadt gehört, vorbei an IKEA. Genau, die Chinesen wollen nicht nur die Hersteller von ungefähr 80% der Produkte („made in china“, „made in china“, made in china“, etc.) sein, sondern das Zeug auch kaufen können. Nachdem wir in den letzten Tagen schon in den Genuss von „Western Food“, „Western-style toilets“ und jeder Menge Touristen aus dem Westen gekommen sind, wollen wir uns auch das Möbelhaus näher ansehen. Und, oh Wunder, alles gleich. Am Eingang verlockt das Kinderparadies mit bunten Bällen, in denen prompt chinesische Einzelkinder versinken. Die Treppe rauf geht es erstmal durch diverse Schauräume, gefolgt von der beliebten Möbelfoltermaschine, die die Robustheit des Ikea-Lehnstuhls unter Beweis stellen soll. Am Ende der Standardrunde (blaue Tafeln weisen Weg und aktuellen Standort) wartet wie erwartet das SB-Restaurant. Dort gibt’s natürlich die obligatorischen Fleischbällchen, aber zusätzlich auch noch ein paar chinesische Reisgerichte. Gegessen wird jedoch nicht mit Stäbchen, hier gibt’s wie in den Beispielküchen, durch die wir eben spaziert sind, Messer und Gabel. Ikea scheint ziemlich hip zu sein, der Preis für ein Stück original „schwedische Mandeltorte“ liegt etwa dreimal über dem von einem Dessert im chinesischen Starbucks-Pendant „Maky“ (und dort ist es schon nicht billig).
An dieser Stelle geht es, wie der erfahrene Ikea-Besucher sicher weiß, die Stiege wieder runter, wir passieren Töpfe und Geschirr gefolgt von Servietten und Kerzen. Global verordnete Gemütlichkeit eben. Wir spazieren weiter durch die Wohnwelten, alles genau gleich wie in Wien 22 oder der SCS, und haben schon fast vergessen, dass wir so weit weg von zuhause sind.
Doch dann ist es wieder da: ein Räuspern, ein Würgen, ein Röcheln, und in weitem Bogen schießt die Spucke auf den Vorplatz. Wenigstens der Security-Mann beim Ausgang verweigert die totale Einheitswelt auf konsequente Weise.
PS.: Ja, wir haben auch was gekauft. Fürs Schlafzimmer. Einen aufblasbaren Reisepolster, womit wir jetzt endlich beide den gleichen haben.
Browse Timeline
Comments ( 2 )
Roland added these pithy words on Nov. 16 09 at 18:53einfach genial! 🙂
kann kaum den nächsten Bericht erwarten…Alles Gute euch beiden!
Bernhard added these pithy words on Nov. 17 09 at 17:49Auf dem einen foto schaust so drein, als ob du a bisserl den westlichen komfort nachtrauerst.
Aber mittlerweile müßtest du ja eh schon eine hornhaut auf deinem allerwertesten haben und da ist dann wohl ein sattel genau so angenehm wie ein sofa.
So stellt sich das der büroangestellte bernhard vor.