Posted on 12.11.09 to news katharina

Was von China bleibt

chinaEigentlich wollten wir ja gar nicht nach China. Sondern nur kurz passieren und dann über Pakistan nach Indien. Die politische Situation hat’s verhindert. Eigentlich wollten wir noch immer nicht nach China. Nur kurz passieren und dann weiter nach Tibet. Die politische Situation hat’s wieder verhindert. Geworden sind es schließlich fast drei Monate im Reich der Mitte, beinahe die Hälfte unserer bisherigen Reise.
China war wohl das fremdeste, das exotischte Ziel unsere Tour bislang (und wohl auch überhaupt). Erste Lektion: Nichts als gegeben annehmen. In China spricht kaum jemand englisch, aber auch Gestik und Mimik sind ganz anders als gewohnt. Wer Daumen und Zeigefinger ausstreckt und damit „Bitte zwei Flaschen Wasser“ kommunizieren will, der erntet nur erstaunte Blicke. Wer weiter hartnäckig bleibt, der erlebt, wie fünf ChinesInnen (ChinesInnen treten prinzipiell nur in Gruppen auf, sogar die eine Hochzeit, die wir beobachten konnten, war eine Doppelhochzeit) in großes Kichern ausbrechen und wegrennen. Besser geht’s, wenn man es den Einheimischen nachtut, die die Schriftzeichen für die Zahlen mit Fingerbewegungen nachahmen. Sprachlich hatten wir also so unsere Mühe, können bis heute nicht viel mehr als Hallo, Hotel, Reis, Tofu und nein (in etwa: „meyou“) verständlich aussprechen. Trotzdem, in fast einem Vierteljahr China war nie eine Menschenseele unfreundlich oder unhöflich Wir haben uns auch kein einziges Mal unsicher oder in irgendeiner Weise gefährdet gefühlt. Das macht China als Reiseland attraktiv.
Einen Preis von uns kriegt China auch für das beste Essen. Im Westen ziehen sie mit den Händen meterlange Nudeln, im Osten werden aus ein einer Handvoll Gemüse, Gewürzen und Chili simple, aber extrem wohlschmeckende Speisen gezaubert. Und: Niemand muss hier Hühnerkrallen und Schweinerüssel essen, wenn er/sie nicht will, es gibt immer Alternativen mit Tofu.
Und die Landschaft ist großartig: Im Westen die Wüste und das (tibetische) Hochland, im Osten fruchtbares Hügelland, wo noch jeder kleinste Fleck zum Gemüseanbau genützt wird und das Land in allen Schattierungen der Farbe grün leuchtet (wenn nicht gerade Staub und Industrieabgase für einen grauen Schleier sorgen). Denn hier ist China unglaublich dicht besiedelt, alle 50-80km wird eine Stadt mit ein paar hunderttausend Einwohnern aus dem Boden gestampft, alle paar hundert Kilometer eine Millionenstadt.
Hier wird auch deutlich, wie viel in den letzten Jahren weiter gegangen ist. Die Mittelschicht in China ist groß, neben dicken Autos, riesigen Einkaufsstraßen und Hochhäusern wird das auch an einer großen Anzahl chinesischer Touristen deutlich, die das Budget haben, ihr Land zu entdecken. Und trotzdem: Wir befinden uns in einer Diktatur mit einer schockierend hohen Anzahl an Hinrichtungen, die Missachtung der Menschenrechte scheint selbstverständlich (nur die oberste Spitze des Eisbergs: ein deutscher Austauschstudent erzählt uns, dass ihm jegliches Telefonat mit Botschaft oder Anwalt verweigert wurde, als er nach einem Konflikt am Sportplatz von der Polizei verhaftet und mitgenommen wurde). Während im Iran die Menschen durch ihre Situation politisiert sind wie nirgends sonst und eine immer größer werdende Opposition bilden, scheint’s keine/n der ChinesInnen zu stören.
Es entsteht der Eindruck, dass man hier einfach nie gelernt hat, selbstständig zu denken. So wie die Rezeptionistin im Hotel ratlos vor uns Ausländern steht und nicht kombiniert, dass wir gerne ein Zimmer hätten, so scheint die Bevölkerung das System insgesamt nicht in Frage zu stellen.

Fazit: 1,3 Milliarden ChinesInnen werden die Zukunft der Welt prägen, das alleine ist Grund genug, sich das Land einmal anzusehen. Drei Monate China also, das reicht gerade für eine kurze Runde und einen winzigen Einblick. Beijing, die Mauer und die Terrakotta-Armee holen wir mit 50 auf der 8-Schätze-Rundreise nach.

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Comments ( 4 )

Macht man mit 50 eine 8 Schätze Rundreise? Dann sollte ich schnell ins Reisebüro, bevor der Tipp für 55 kommt!
Liebe Grüße in den fernen Osten, Mama

Anonym added these pithy words on Dez. 11 09 at 10:11

liebe mama,
ich hab mir schon gedacht, dass da eine reaktion nicht ausbleiben wird… aber wahrscheinlich geht man für 8 schätze am besten zum chinesen ums eck.
alles liebe,
katharina

Katharina added these pithy words on Dez. 11 09 at 14:41

herzlichen Dank für diesen schönen Text über ein Dankeschön an die Gastfreunschaft im Riesenreich, durch das Ihr mit Großmut Eure Fahrradspur gezogen habt. Eure Texte lesen und die Bilder betrachten gibt mir ein kleinwenig das Gefühl auf dem Gepäckträger mitzufahren, wie das Mädchen mit der gelben Jacke! In Wien fängt es an zu weihnachten! LG Dirk

dirk Simonsen added these pithy words on Dez. 11 09 at 14:51

liebe katharina,
wie immer sehr interessant und trotzdem fahre ich gerade noch vor 55 nach ägypten – ich würde ja vor allem wissen wollen wies in shanghai aussieht. aber dort kommt ihr hin, wenn ihr ………….. in ein paar jahren big businessplayer werdet …………. in ein paar jahren ?! spass beiseite china scheint doch ein bißl anstrengend zu sein , lustig ? bin schon gespannt wies jetzt im süden wird, lg in die ferne papa

Papa added these pithy words on Dez. 11 09 at 16:31

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