Posted on 07.31.09 to news christoph

In den Iran – ein kafkaeskes Schloss mit sieben Siegeln

Die Einreise in den Iran entwickelt sich zum epochalen kafkaesken Roman. Anders als bei Kafka aber immerhin mit Happy End!

Die letzten Kilometer in der Türkei radeln wir – nach dem insgesamt 4 Reifenpanne – nochmal bergauf, der Grenzübergang Kapikoy-Razi liegt auf über 2000 Metern. An der Grenze ist wenig bis gar nichts los, ein türkischer Zöllner taucht auf und fragt, ob wir in den Iran wollen, um gleich darauf deutlich zu machen: „It’s impossible, the gate is closed“. Es stellt sich heraus, dass an der Grenze nur Waren- und Zugverkehr statt findet. Der Grenzübertritt auf der Straße ist nicht möglich – vielleicht in 2-3 Monaten wieder.

Die gute Nachricht: In ein paar Stunden kommt der Zug und wir können einfach an der Grenzkontrolle in den Zug einsteigen, über die Grenze fahren und dann wieder aussteigen. Also wieder 2 Kilometer zurück zum Grenzbahnhof.

Damit beginnt das lange Warten: Es heißt jetzt, dass der Zug erst in der Nacht zwischen 2 und 3 Uhr Früh fahren wird. So werden wir für die nächsten Stunden Teil der Schicksalsgemeinschaft derer, die die türkische Bürokratie hier in die kurdischen Berge verschlagen hat: Polizisten, Zöllner , Bahnbedienstete. Alle arbeiten am Grenzbahnhof und leben gleich daneben in den 4-5 Blocks mit Dienstwohnungen. Sonst gibt es nichts: keinen Laden, kein Restaurant, nicht einmal eine Moschee!

Der Postbeamte, der keine Dienstwohnung hat, sondern praktischerweise gleich im Postamt selbst wohnt, versorgt uns die nächsten Stunden mit Tee, selbst gekochtem Abendessen und etlichen Schachteln selbst importierten Zigaretten. Wir versuchen zu erklären, dass radfahren und Marlboro nicht so gut zusammen passen. Einziger Erfolg. Statt Marlboro wandert nun ein ums andere Päckchen Light-Zigaretten über den Tisch.

Auch Hüseyn, der Zöllner, kommt auf einen Tee im Postamt vorbei, um uns ein paar der frisch beschlagnahmten Schmuggel-Zigaretten zu schenken. Und weil er schon dabei ist, lädt auch er uns in seine Dienstwohnung ein, um uns seine original Van-Katze zu zeigen.

So wird es langsam Nacht und es spricht sich herum, dass der Zug wohl doch erst um 6 Uhr in der Früh fährt. Also legen wir uns zum Schlafen in den Wartesaal. Es ist 8:30, als uns ein Polizist weckt, um zu sagen, dass der Zug wahrscheinlich um 10 Uhr kommt.

Was diesmal auch stimmt. Die Passkontrolle dauert dann noch einmal 2 Stunden. Um 12 Uhr werden die Zugtüren plombiert und es geht endlich Richtung Iran.

Der Plan, nach der Grenze wieder aus dem Zug auszusteigen, scheitert daran, dass der Zug hier nicht stoppt – die iranische Passkontrolle findet erst 100km weiter statt. Eine Wagentüre bleibt trotzdem unplombiert und bietet den Mitreisenden die willkommene Gelegenheit, kurz nach der Grenze die Säcke mit dem Schmuggelwaren aus dem fahrenden Zug zu werfen.

Die Passkontrolle verläuft dann problemlos. Ein iranischer Zöllner sammelt mit dem überall auf der Welt gleichen skeptisch-ernsten Zöllnerblick alle Pässe ein, ein Arzt misst bei allen Reisenden die Temperatur und verteilt Zetteln mit ganz speziellen Hygiene-Tipps „Schneuzen Sie sich nicht in die Hand, sondern in den Hemdärmel.“ Nach weiteren zwei Stunden Wartezeit bekommen wir die Pässe wieder zurück. Unser Gepäck wird nicht kontrolliert.

Unsere erste Station im Iran: die Millionenstadt Tabriz.

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Comments ( 2 )

Es liest sich so heiter und köstlich, wahrscheinlich war es für euch nicht so entspannt.Seid vorsichtig und wachsam, man hört wieder einiges über Unruhen, vor allem aus Teheran (Norden von Teheran). Liebste Grüße Edith

Edith added these pithy words on Aug 01 09 at 07:23

Ich kann der Edith nur rechtgeben. Das lesen dieses Blocks war wieder mal heiter und köstlich, hoffentlich war das warten nicht zu zach für euch???
Aber seht es auf jeden fall positiv, bschlagnahmde Zigaretten von einen Beamten geschenkt zu bekommen passiert nicht alle Tage…!!!
lg

Vincent Moser added these pithy words on Aug 13 09 at 11:05

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